… und zwar so, wie wir sind
Die Kinder und wir selbst: Gedanken über das Lob und bedingungslose (Selbst)liebe
Vor ein paar Wochen gab es ja Zeugnisse. Das waren Zeugnisse, die mir egaler nicht hätten sein können. Denn sie sind das Ergebnis eines Schuljahres, das komplett querbeet gelaufen ist. Schule auf. Schule zu. Schule halb auf. Schule ganz auf. Masken rauf. Masken runter. Schularbeiten verschoben. Schularbeiten abgesagt. Und dazwischen sollten die Kinder irgendwas lernen. Und ich sollte das bestmöglich im Homeoffice begleiten. Habe ich auch. Weil bestmöglich eben ein sehr dehnbarer Begriff ist.
Letztendlich kann man aber sagen: Wir haben das Schuljahr geschafft. Nein, wir haben es gerockt! Gemeinsam. Irgendwie. Alles andere ist nebensächlich. Und das habe ich den Kindern auch gesagt. Dass sie das alles ziemlich super mitgemacht haben. Dieses Hin und Her. Diese Ungewissheit. Die Unvorhersehbarkeit. Die ständige Veränderung im Chaos. Und dann habe ich ihnen noch gesagt, dass sie überhaupt toll sind. Einfach so, wie sie sind.
Das mache ich viel zu selten. Dabei ist das viel wichtiger. Vielleicht ist es das Wichtigste überhaupt. In einem Kurs lernten wir unlängst über die Kraft des Selbstlobs. Sofort stieg in mir der Satz „Eigenlob stinkt!“ auf. Das hatte ich als Kind oft gehört, immer dann, wenn jemand von sich behauptete, etwas gut gemacht zu haben, auf etwas selbst stolz war und das auch äußerte. Das war nicht erwünscht, wer so etwas tat war eitel, arrogant oder selbstverliebt.
Menschen, die überzeugt sind, dass sie etwas gut können, besitzen in Wahrheit eine geheime Superkraft
Ein bisschen eigenartig, dass wir Selbstverliebtheit als negativ assoziieren. Denn in Wahrheit sind es ja die Menschen, die ihre Selbstverliebtheit als Schutz nach außen tragen und sich damit über andere stellen, die wir negativ wahrnehmen. Aber Menschen, die überzeugt sind, dass sie etwas gut können, besitzen doch in Wahrheit eine geheime Superkraft. Wenn ein Sportler vor dem Wettbewerb sagt, er sei der Schnellste, der Beste, der Stärkste der Welt, ist er arrogant. Wenn er mit einer Goldmedaille hinausgeht, ist er ein Superheld.
Ja, wir feiern die kleinen Größen, die Unscheinbaren, aber auch sie brauchen eine gewisse Portion Selbstvertrauen und Überzeugung, um aus dem unscheinbaren Eck hervorzustoßen. Was wir in diesem Kurs aber auch viel lernen, ist die Macht, die Eltern haben, die ihren Kindern keinerlei Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein mit auf den Weg geben. Dort sitzen erwachsene Menschen, die nicht an sich glauben, die mit dem Gefühl aufgewachsen sind, niemals genug zu sein. Ich gehöre zu ihnen. Ich war als Kind zu schüchtern. Zu sensibel. Zu stur. Ich war immer irgendwas zu sehr so, was ich nicht sein sollte. Mir hat aber auch niemand gesagt, worin ich so richtig gut bin. Was an mir richtig und ganz einfach gut ist. Das lag gar nicht so sehr darn, dass unsere Eltern das nicht sagen wollten. Sie wussten schlichtweg selbst nicht, wie das geht und vor allem, wie wichtig das ist.
Jenseits von Leistung
Wir diskutieren heute heftig darüber, ob wir unsere Kinder für ihre gemalten Kunstwerke oder akrobatischen Klettereinheiten auf dem Spielplatz loben dürfen oder nicht. Weil wir das Loben seit je her nur gebunden an eine Leistung kennen. Dass es viel wichtiger ist, dass wir unsere Kinder bedingungslos lieben und loben, auch wenn sie uns keine Bilder vorlegen oder ein super Zeugnis, daran denken wir nicht. Dabei ist es so einfach und so wirkungsvoll.
Wir reden von bedingungsloser Liebe und die ist wichtig. Wir sagen unseren Kindern „Ich liebe dich!“ und meist tun wir das in Momenten, in denen die Welt in Ordnung ist. Aber nicht, wenn unsere Kinder eine schwierige Phase oder etwas angestellt haben.
Mein kleiner Sohn kam neulich nachts zu mir ans Bett. Seit Ewigkeiten hatte er mal wieder in sein Bett gemacht. Ich war genervt, ich hatte die dritte Nacht in Folge nicht gut geschlafen und mein Nacken tat mir weh. Ich stand also auf, riss die feuchten Leinentücher vom Bett und warf sie in die Abstellkammer zur Wäsche. Ich gab ihm eine trockene Unterhose und nahm ihn dann mit zu mir ins Bett, wohl wissend, dass ich so noch schlechter schlafen würde. Und als ich da lag und wieder zur Ruhe kam, spürte ich erst, dass ich die ganze Zeit nur an meinem Unmut festgehalten, aber seinen nicht wahrgenommen hatte. Denn immerhin war ihm das ja mit seinen fünf Jahren genauso unangenehm. Ich drehte mich noch einmal zu ihm hin, strich ihm über den Kopf und sagte ihm, dass ich ihn lieb habe. Dann wünschte ich ihm noch schöne Träume und wir schliefen wieder ein.
Sie strahlten mich einfach nur an, sagten nichts
Am Abend machte ich es mir dann zur Aufgabe allen Kindern vor dem Schlafengehen zu sagen, dass sie toll sind und ganz besonders einfach so, wie sie sind. Das war gar nicht so einfach, denn auch ich hatte das bisher oft an eine Fähigkeit, eine besondere Eigenschaft gebunden. Auch für mich war das eine ganz bewusste Übung. Die Reaktionen waren überwältigend. Sie strahlten mich einfach nur an, sagten nichts. Da spürte ich, wie gut ihnen das tat, dass sie sich in diesem Moment auch wirklich so fühlen konnten. Und ich stellte mir vor, wie es sich für mich angefühlt hätte, wenn ich das als Kind einmal gehört hätte. Und so mache ich es mir jetzt zur Übung, auch mir das zu sagen. Beim Zähneputzen oder unter der Dusche. Denn wir alle sind besonders und einzigartig, wir haben Fähigkeiten und Eigenschaften, die uns zu dem Menschen machen, der wir sind.
Großartige Eltern, Freunde und Freundinnen, Männer und Frauen. Wir denken so viel an die Dinge, die wir vermeintlich nicht gut machen, nicht gut können. Abgesehen davon, dass das nicht stimmt, quälen wir uns ja nur damit. Natürlich dürfen wir lernen und wachsen, aber wie schade ist es, dass wir uns immer nur klein machen. Ich wünsche meinen Kindern die Stärke und Kraft an sich zu glauben, ihren Träumen zu folgen und ihren Weg zu gehen. Und das möglichst unabhängig von dem, was auf diesem Zettel steht, den sie am Ende eines Schuljahres in den Händen halten.
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